Aus dem Kreistag: Aktuelle politische Lage und Haushalt

Florian Geiger, Fraktionssprecher
Florian Geiger, Fraktionssprecher

Hier findet ihr die Rede von unserem Fraktionssprecher Florian Geiger zu

1. Haushalt und Finanzen

2. Verkehrspolitik

3. Klimaschutz und Energiewende

4. Demokratie und Rechtsextremismus

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kreisrät*innen,

letztes Jahr habe ich meine Rede begonnen mit: „In den 8 Jahren, die ich nun auch schon wieder Kreisrat sein darf – und im Übrigen auch gerne bin – kann ich mich nicht erinnern, dass so um einen Haushalt gerungen wurde.“ Zitat Ende Auch der diesjährige Haushalt ist wieder das Ergebnis großer Bemühungen und eines intensiven Ringens, und ich befürchte, dass das jetzt noch ein paar
Jahre so bleiben wird..

Ich habe in den Diskussionen der letzten Wochen um diesen Haushalt eine große Ernsthaftigkeit erlebt und auch ein großes Engagement und Verantwortungsbewusstsein seitens aller Beteiligten. Dafür möchte ich mich ganz besonders bei Herrn Sicheneder bedanken, stellvertretend für alle im Landratsamt, die an diesem Prozess beteiligt waren. Wir können im Ergebnis dem Haushalt für 2024 zustimmen und werden das heute auch tun Ich möchte trotzdem zunächst auf ein paar inhaltliche Themen eingehen, die uns als Fraktion bewegen:

Auch wenn derzeit bei Straßenausbau und -sanierung gespart wird und das ÖPNV – Defizit zumindest was die reinen Betriebskostenzuschüsse angeht geringer ausfällt als im Vorjahr, muss man feststellen, dass die Verkehrspolitik in die falsche Richtung läuft.
Einerseits die Nordumfahrung: man hält in Stadt und Landkreis Erding trotz explodierender Kosten mit in der Presse genannten 90-100 Mio an diesem Landschaftszerstörungsprojekt fest aus den aktuellen Verkehrszählungen lassen sich keine signifikant höheren Belastungen der Straßen und damit die Rechtfertigung für einen Neubau schließen.
Andererseits der ÖPNV: man hört aus dem Landratsamt nur, man müsse „Raus aus der Fläche“, der ÖPNV sei zu teuer, er würde zu wenig angenommen. Hier sollte man Land und Bund in die Pflicht zur besseren Finanzierung nehmen, um als Landkreis nicht alleine auf den steigenden Kosten sitzen zu bleiben.
Deshalb mein Appell: warum warten wir nicht mit jeglichem Aus- und Neubau von Straßen ab, wie sich der Verkehr nach dem Ausbau des S-Bahn- Ringschlusses mit neuem Bahnhof am Fliegerhorst Erding und der Walpertskirchner Spange entwickelt! Bei einer Fahrzeit von künftig 9 Min von Erding zum Flughafen mit der SBahn sowie einem direkten Schienenanschluss von Dorfen zum Flughafen würde sich eine „Erschließung des östlichen Landkreises Erding“ durch die Nordumfahrung und den Ausbau der B 388 erübrigen.

Nur so kann die im Klimaatlas des Landkreises Erding viel beschworene Verkehrsvermeidung und -verlagerung des Motorisierten Individualverkehrs von der Straße auf die Schiene und den ÖPNV gelingen.
Wir brauchen einen Umweltverbund und nicht einen Betonverbund. Wenigstens das Parkhaus am Klinikum dessen geplante Errichtung ich letztes Jahr noch kritisiert habe, ist ja mittlerweile vom Tisch
Der enge Haushalt hat auch Auswirkungen auf den Klimaschutz und die Energiewende im Landkreis Erding. Auch wenn Zahlen so interpretiert werden, als stünde der Landkreis bei der Energiewende super da – leider ist das überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil. Das Fernwärmenetz wird immer noch überwiegend mit fossilem Gas betrieben, unser Antrag zur Einrichtung einer Energieagentur wurde
abgelehnt und in Sachen Photovoltaik und Windkraft ist viel zu wenig passiert. Und jetzt droht mit dem Argument des angespannten Haushalts, der komplette Stillstand. Erst letzte Woche wurde zum Beispiel im Bauausschuss entschieden, den Neubau des alten Landratsamtes nicht in Passivbauweise zu machen. Wir
denken, dass hier an falscher Stelle gespart wird Wir hoffen und appellieren an den gesamten Kreistag die Energiewende im Landkreis endlich ernst zu nehmen und mit voller Kraft zu unterstützen.

Die finanzielle Lage macht mir große Sorgen. Noch größere Sorgen macht mir allerdings der Zustand unserer Gesellschaft, insbesondere die Rolle, die die AfD dabei spielt, unsere Gesellschaft zu spalten.
Wenn die bayerische Wirtschaft, wenn der IFO-Präsident, wenn der Bayrische Landtag warnt, wenn Klaus Holetschek sagt, man muss jetzt Flagge zeigen gegen die Feinde der Demokratie wenn Markus Söder über die AfD sagt; „Es ist tief auf dem Weg in die Rechtsextreme hinein“ wenn selbst Marine le Pen und Georgia Meloni sich distanzieren, dann müssen wir uns auch hier, im Kreistag zu Erding fragen, ob wir nicht zu
defensiv mit der AfD umgehen. Die vier Kreisräte geben hier im Gremium die bürgerlichen Biedermänner,
tragen die allermeisten Beschlüsse mit und fallen ansonsten nicht groß auf. Wenn man allerdings mal in Facebook schaut, dann wird deutlich, dass die AfD auch im Landkreis Erding nicht harmlos ist. Bilder mit Höcke, Hetze gegen Ausländer und die Zivilgesellschaft, die ja nur deshalb gegen die AfD sei, weil sie „sich sonst eine richtige Arbeit suchen“ müssten. Ich sitze bei Veranstaltungen öfter am Tisch mit Wolfgang Kellermann. Er ist im persönlichen Umgang kein verkehrter Typ – wenn ich das hier mal ganz
vorsichtig sagen darf. Wir unterhalten uns im Rahmen der Möglichkeiten meistens gut, manchmal sogar angeregt. Hilft ja auch nichts, wenn man drei Stunden nebeneinander sitzt. Und genau das macht mir Angst. Denn trotzdem ist er Mitglied einer Partei, die in diesem Land erklärtermaßen unsere Demokratie zerstören möchte, das Rad bei der Inklusion wieder zurückdrehen, die queere Menschen bedroht, die freie Presse einschränken will und die politischen Institutionen von innen her zerstören. Der Leitartikel der Süddeutschen Zeitung bezieht sich auf Helmut Schmidt, der die Lektüre Karl Poppers empfiehlt. „Sein Rat an von Zweifeln geplagte Demokraten: Ja, ihnen fehle oft das Selbstvertrauen, aber eine pessimistische Beurteilung der Zeit verstärke nur das Unglück. Deshalb, so Popper, „ist es unsere Pflicht, Optimist zu sein“.“
In diesem Sinne hoffe ich, dass wir unseren Optimismus nicht verlieren. Aber dabei auch wachsam bleiben und wo notwendig auch kämpferisch! Ich verspreche Ihnen, so wie letztes Jahr auch schon, dass ich und die gesamte Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen weiterhin voller Herzblut, Engagement und Know-How daran arbeiten und darauf drängen werden, dass beim Klimaschutz, bei der Energiewende und bei der Verkehrswende und bei der Verteidigung unserer Demokratie gegen die Gefahr von rechts außen auch im Landkreis Erding die nötigen nächsten Schritte gegangen werden.